Das Krampfaderleiden,
Varicosis
genannt, ist Bestandteil des Syndroms der chronisch venösen Insuffizienz (primäre Varicosis). Varizen sind dabei ein nicht obligates Symptom.
Leitsymptome sind:
- schwere und müde Beine,
- Knöchelödeme,
- Unruhegefühl in den Beinen,
- nächtliche Wadenkrämpfe.
Die Prävalenz der Varicosis liegt bei 20–30 % bei Erstgebärenden und bei 50 % bei Mehrgebärenden. Eine vorliegende Adipositas unterstützt die thrombophile Diathese maßgeblich. Betroffen ist meistens die V. saphena magna. Oberflächlich sichtbar sind in der Haut Besenreiservarizen. Liegen diese netzartig vor, werden sie als retikuläre Varizen bezeichnet. Handelt es sich um eine Varicosis nach Thrombose, wird sie als sekundäre Varicosis benannt.
Schwangerschaftskomplikationen der Varicosis sind Thrombophlebitis, Thrombose und Lungenembolie. Das Risiko für eine Thrombose und Lungenembolie in der Schwangerschaft liegt bei 0,2 %.
Thrombophlebitis
bezeichnet eine oberflächliche Entzündung epifaszialer Venen mit sekundärer Ausbildung von Thrombosen. Es können kleine, auch unbemerkt verlaufende Lungenembolien resultieren. Begleitende Hautveränderungen bei Varicosis sind Stauungsdermatitis, Indurationen, Atrophie blanche und Ulzerationen.
In der Schwangerschaft sind auch folgende Lokalisationen hinsichtlich hämorrhagischer Komplikationen von Bedeutung:
- suprapubische Varicosis,
- Varikosis vulvae (Differenzialdiagnose: Klippel-Trenaunay-Weber-Syndrom),
- uterine und ovarielle Varicosis (spontanes Hämoperitoneum!)
- Hämorrhoiden.
Alarmzeichen für eine Thrombophlebitis superficialis sind plötzliche Schmerzen und Schwellungen oder ein langanhaltender „Muskelkater“ der Beine.
In der Folge ist die Gefahr der Entwicklung einer tiefen
Beinvenenthrombose
erhöht. Geeignete klinische
Thrombosezeichen
sind:
- livide Verfärbung, fleckige Hautpigmentierung, atrophisch gespannte und glänzende Haut
- Schmerzen in der Leistenbeuge, über dem Adduktorenkanal, in Kniekehle, Wade, Knöchelgegend und Fußsohle
- Wadenschmerz bei Plantarflexion – Homans-Zeichen
- Prattsche Warnvenen vor dem Schienbein
- schmerzhafte Meyersche Druckpunkte vor dem Schienbein
- Fußsohlenschmerz: Payr-Zeichen bei Druck und Plantarflexion.
In der Schwangerschaft muss jeder Thromboseverdacht umgehend geklärt werden. Die Duplexsonographie der Bein- und Beckenvenen ist die Untersuchungsmethode der ersten Wahl. Die Therapie einer tiefen Beinvenenthrombose (TVT)/Lungenembolie erfolgt in der Schwangerschaft mit niedermolekularem Heparin bis 6 Wochen nach der Geburt. Im Zusammenhang mit einer Thrombophlebitis superficialis in der Schwangerschaft beträgt die Prävalenz einer tiefen Venenthrombose 18 % und einer Lungenembolie 7 %. Im Vergleich dazu beträgt ansonsten die Prävalenz der tiefen Venenthrombose in der Schwangerschaft 0,08–0,29 %, bei Schwangeren mit mehr als 3 Tagen Bettruhe 1,56 %.
Adipöse Patientinnen mit Thrombophlebitis stellen eine beachtenswerte Hochrisikogruppe dar.
Weitere Risikofaktoren für eine tiefe Venenthrombose sind ein mütterliches Alter über 35 Jahre,
Mehrlingsschwangerschaften,
Präeklampsie, Traumata, Notsectio sowie hoher Blutverlust unter der Geburt.
Therapeutische Maßnahmen
zur chronisch venösen Insuffizienz mit hoher Evidenz gibt es nicht. Die wichtigste Behandlung besteht darin, von außen das Bindegewebe durch Kompressionsstrümpfe zu stabilisieren. Daneben werden Mobilisation und in Intervallen das Hochlagern der Beine empfohlen. Medikamentöse und physikalische Therapien zur Linderung von Beschwerden in der Schwangerschaft mit geringer Evidenz sind Venenpräparate mit Rutin als Inhaltsstoff wie z. B. Venoroton 300 Kapseln, Reflexzonenmassage und Kneippanwendungen in Form von „Wechselduschen“ (thermische Konditionierung). Eine lokale Anwendung von Salben aus Pflanzenextrakten, unter anderem Rosskastanie (z. B. Riviera Rosskastaniensalbe) kann ergänzend sinnvoll sein.
Wichtig sind
Aufklärung und Prävention. Sitzende Tätigkeiten sind spätestens nach 1 Stunde für 5–10 Minuten zu unterbrechen (Mobilisationspause). In der Physiotherapie sind Aquajogging und Radfahren im Liegen indiziert. Prophylaktisch sind Nikotin, Alkohol, heiße Bäder, lange Sonneneinstrahlung, Massagen der Beine sowie lange Reisen zu meiden. Bürstenmassagen an den Beinen fördern die Entwicklung von sogenannten „Besenreisern“. Es existieren im Hochrisikobereich Empfehlungen für eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (Exoxaparin) in einer Dosierung von 1–1,5 mg/kg Körpergewicht zweimal täglich; Zielparameter ist eine Anti-Faktor Xa-Aktivität von 0,5 4 Stunden nach Injektion. Bei ausgeprägter Varicosis vulvae (Labien/Vagina betroffen) kann im Einzelfall ein Kaiserschnitt erwogen werden. Allerdings ist im Wochenbett die Thrombosegefahr nochmals deutlich um das 5- bis 10-fache erhöht.