Thrombophilie

Gynäkologie - Gutartige Erkrankungen - Thrombophilie

Eine Thrombophilie bezeichnet die genetisch bedingte oder erworbene Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln innerhalb von Blutgefäßen (Thrombose) oder von Embolien (Verschluss eines Blutgefäßes durch mit dem Blut eingeschwemmtes Material) infolge veränderter Eigenschaften von Blutzellen, Blutplasma, Blutströmung und/oder Gefäßwänden.

Thrombotische Ereignisse haben häufig genetisch bedingte Ursachen. Zu den bekannten genetisch bedingten Veränderungen (Mutationen), die zu Thrombosen führen können, zählen in erster Linie:

Faktor-V-Leiden-Mutation (APC-Resistenz):
Die 1994 in Leiden (Niederlande) entdeckte Mutation des Gerinnungsfaktors V kann bei 4-8 % der deutschen Bevölkerung nachgewiesen werden. Heterozygote Träger dieser Mutation weisen ein 5-10-fach erhöhtes Thromboserisiko auf. Bei homozygoter Mutation ist das Thromboserisiko auf ca. 80-fach im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht. Ursache ist die durch eine Punktmutation hervorgerufene Veränderung des Faktor V, so dass das aktivierte Protein C (APC) nicht mehr gespalten und so inaktiviert werden kann (APC-Resistenz).

Prothrombin-(Faktor II)-Mutation:
Die Mutation des Prothrombins wurde 1996 erstmalig beschrieben und kommt bei ca. 1-4 % der Bevölkerung vor. Bei Patientinnen mit heterozygoter Mutation, die Vererbung ist autosomal dominant, steigt das Risiko für eine Thrombose um das 2-5-fache. Ursache ist der verminderte Abbau von Prothrombin als Schlüsselfaktor innerhalb der Gerinnungskaskade. Bei homozygoter Mutation ist das Risiko für eine Thrombose auf das 50-fache erhöht.

Antithrombin-III-Mangel:
Antithrombin-III ist einer der wichtigsten natürlichen Hemmstoffe der Blutgerinnung. Eine heterozygote Mutation erhöht das Thromboserisiko um das mehr als 10-fache.

Protein-C-Mangel:
Protein-C hemmt im menschlichen Körper die Blutgerinnung und löst Blutgerinnsel auf. Eine heterozygote Mutation erhöht das Thromboserisiko um etwa als 10-fache.

Protein-S-Mangel:
Protein-S wird zur Einleitung der Auflösung eines Blutgerinnsels benötigt und wirkt als Kofaktor des Protein-C. Bei der Bestimmung ist zu beachten, dass die Aktivität von Protein-S durch den Einfluss von Östrogenen wie Estradiol oder Estriol (Einnahme der Antibabypille oder von Wechseljahrspräparaten, Schwangerschaft, Wochenbett) zum Teil deutlich erniedrigt wird, was zu Fehlbestimmungen führen kann. Eine heterozygote Mutation erhöht das Thromboserisiko um etwa als 10-fache.
Hyperhomocysteinämie/MTHFR-Mutation:
Als weiterer unabhängiger Risikofaktor für Thrombosen gilt ein erhöhter Spiegel der Aminosäure Homocystein im Blut, Hyperhomocysteinämie genannt, hervorgerufen z. B. durch die sogenannte MTHFR-Mutation. Bei der MTHFR-Mutation handelt es sich um den häufigsten angeborenen Defekt im Stoffwechsel der Folsäure. Die sogenannte Methylentetrahydro-folatreduktase (MTHFR) ist ein Enzym. Es wird zur Verstoffwechselung von Homocystein benötigt. Homocystein wiederum ist ein schädliches Zwischenprodukt des Aminosäurestoffwechsels. Es wird aus der Aminosäure Methionin gebildet und entweder unter Beteiligung der MTHFR in einer Folsäure- und Vitamin B12-abhängigen Reaktion in Methionin zurückverwandelt oder unter Beteiligung von Vitamin B6 in die Aminosäure L-Cystein umgebaut. Durch eine Mutation des MTHFR-Gens entsteht eine Enzymvariante, die aufgrund des dadurch bedingten Funktionsverlustes einen verminderten Abbau des Homocystein verursacht, es entsteht eine Hyperhomocysteinämie. Die MTHFR-Variante kommt häufig vor und bei etwa 9-11 % der europäischen Bevölkerung sind beide Gene betroffen (homozygot), bei 30-40 % nur eines der beiden Gene (heterozygot).
Patienten mit der homozygoten Form haben signifikant erhöhte, Patienten mit der heterozygoten Form geringfügig erhöhte Homocystein-Spiegel im Blut. Das Ausmaß der Höhe des Homocystein-Spiegels ist dabei anscheinend stark abhängig von der Folsäure-Konzentration im Blut. Patienten mit einer Faktor-V-Leiden-Mutation haben ein besonders hohes Thromboserisiko, wenn gleichzeitig die homozygote MTHFR-Mutation vorliegt. Bei homozygoten Merkmalsträgerinnen wird zudem über eine erhöhte Fehlgeburtsrate berichtet.
Ein nur um 10-15 % erhöhter Homocysteinspiegel steigert das Risiko für Thrombosen um das 3-4fache. Die Hyperhomocysteinämie gilt auch als Risikofaktor für koronare Herzerkrankungen (Erkrankung der Herzkranzgefäße, in den meisten Fällen durch Arteriosklerose verursacht) sowie Neuralrohrdefekte (eine angeborene Fehlbildung). Der Homocysteinspiegel lässt sich mit Gabe von Tabletten mit Vitamin B6, B12 und Folsäure, z. B. FolPlus®, in der Regel innerhalb von 6 Wochen normalisieren. Ist der Homocysteinspiegel im Normbereich und liegen sonst keine weiteren Risikofaktoren vor, besteht kein erhöhtes Thromboserisiko und somit keine Kontraindikation für die Einnahme hormoneller Kontrazeptiva.

Die MTHFR-Mutation wird autosomal-rezessiv vererbt, d. h. die Besonderheit tritt in voller Ausprägung nur dann in Erscheinung, wenn sich auf jeweils beiden Chromosomen (1 bis 22, also nicht den Geschlechtschromosomen X und Y) die gleiche Mutation in einem bestimmten Gen findet. Der betreffende Mensch hat jeweils eine Veränderung von seinem biologischen Vater und eine von seiner biologischen Mutter geerbt.

Einige mögliche Indikationen für eine MTHFR-Mutationsuntersuchung sind:
  • Erhöhte Homocysteinwerte im Blut
  • Patientinnen mit einer Thrombose
  • Eine bekannte Thrombophilie bei Eltern oder Geschwistern (besonders bei Faktor-V-Leiden-Mutation)

Für die Laboruntersuchung auf Homocystein stehen besondere Monovetten der Firma Sarstedt (Homocysteine Z-Gel/2.7 ml) zur Verfügung. Zur Blutabnahme muss die Patientin nüchtern sein.
Die häufigste erworbene Form einer Thrombophilie stellt das Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom dar:

Antiphospholipid-Antikörper (Anti-Cardiolipin-Antikörper, Lupus-Antikoagulans, Anti-ß2-Glykoprotein-1-Antikörper):
Diese Autoimmunerkrankung stellt eine erworbene Form der Thrombophilie dar. Die Autoantikörper aktivieren die plasmatische Gerinnung an der Oberfläche der Gefäße und bei Schwangeren auch im Mutterkuchen konzentrationsabhängig. Obwohl Antiphospholipid-Antikörper nur bei 1-2 % der Bevölkerung auftreten, werden sie bei 15-20 % aller thrombembolischen Ereignisse gefunden. Insbesondere der Nachweis von Lupusantikoagulans stellt eine Risikoerhöhung um das 9-fache dar. Um vorübergehende immunologische Befunde auszuschließen, soll ein Antikörpernachweis im Abstand von 12 Wochen bestätigt werden.

Mögliche Indikationen zur Thrombophilie-Diagnostik sind:
  • Thrombosen bei Patientinnen unter 45 Jahren
  • Thrombosen unter oraler Antikoagulation (Blutverdünnungsmitteln wie z. B. Marcumar)
  • Rezidivierende Thrombosen, insbesondere bei ungewöhnlicher Lokalisation
  • Patientinnen mit habituellen Aborten (mehr als 2 Fehlgeburten)
  • Patientinnen nach einer Totgeburt
  • Verdacht auf Vorliegen von Antiphospholipid-Antikörpern (z. B. bei Patientinnen mit systemischen Lupus erythematodes)
Die folgenden Thrombophiliekonstellationen stellen beispielsweise eine Kontraindikation für die Einnahme von Antibabypillen aus Kombinationen von Östrogenen und Gestagenen dar:
  • Homozygote Faktor-V-Leiden-MutationHomozygote Prothrombin-(Faktor II)-Mutation
  • Kombinierte heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation und Prothrombin-Mutation
  • Antithrombin-III-MangelProtein-C-Mangel
  • Protein-S-Mangel
  • Lipoprotein(a) über 30 mg/dl
Ein Screening soll nicht während hormoneller bzw. antikoagulatorischer Therapie, akuter entzündlicher Erkrankungen, Scwangerschaft oder im Wochenbett erfolgen, da hierunter die Spiegel von Gerinnungsfaktoren und Gerinnungshemmern beeinflusst sind und zu falsch positiven Ergebnissen führen können. Das Gerinnungssystem ist erst 6-12 Wochen danach wieder normal.

Link:
Gerinnungszentrum Rhein-Ruhr - Spezialisierte Gerinnungsambulanz für Thrombose und Blutungsneigungen/Hämophilie
KVNO Diagnostischer Leitfaden Thrombophilie Leitlinie Prophylaxe der venösen Thrombembolie Stand 2015
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