Dank der Effektivität der gesetzlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchung ist Gebärmutterhalskrebs, auch Zervixkarzinom genannt, heute selten geworden. In der Regel werden schon die Vorstufen entdeckt. Darauf soll näher eingegangen werden.
Nach heutiger Auffassung wird Gebärmutterhalskrebs durch eine Infektion mit Hochrisiko-Typen des humanen Papillomavirus (HPV) verursacht. Es sind weit über 100 HPV-Typen bekannt. Mit einem Lebenszeit- und Infektionsrisiko von 70-80 % sind HPV-Viren die am häufigsten sexuell übertragbaren Mikroorganismen. Während die HPV-Infektionen bei Jüngeren häufig innerhalb von 12 bis 18 Monaten spontan ausheilen, verbleiben sie öfter bei älteren Frauen. Eine Infektion mit Hochrisiko-Typen führt jedoch nur in ca. 1 % der Fälle zu einer Krebsentwicklung. Als Hochrisiko-Typen sind HPV 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 66 und 68 bekannt. Man kann versuchen, diese Typen noch weiter zu gruppieren.
Gruppe 1: HPV 16 und 18. Für diese beiden Typen liegen ausreichende Hinweise auf Karzinogenität beim Menschen vor. HPV 16 ist für rund 50 %, HPV 18 für 15 % aller Krebsfälle verantwortlich.
Gruppe 2A: HPV 31, 33, 35, 45, 52, 58. Die Karzinogenität beim Menschen liegt vor, ist aber schwächer als in der Gruppe 1 und es gibt ebenfalls ausreichende Beweise für Karzinogenität bei Versuchstieren.
Gruppe 2B: HPV 39, 51, 56, 59. Hier gibt es nur begrenzte Hinweise auf Karzinogenität beim Menschen und nicht genügend Beweise der Karzinogenität bei Versuchstieren.
Gruppe 3: HPV 66, 68. Der Nachweis einer Karzinogenität beim Menschen ist noch unzureichend, wenn sie nicht mit anderen Typen zusammen auftreten.
Die Niedrigrisiko-Typen verursachen hauptsächlich
Condylome (Viruswarzen) und in Ausnahmefällen leichtgradige Veränderungen am Gebärmutterhals (leichte Dysplasien, siehe unten). In 90 % der Fälle handelt es sich bei den Niedrigrisiko-Typen um HPV 6 und HPV 11.
Die Scheidenhaut, das sogenannte unverhornte Plattenepithel, besteht aus vier Schichten:
Die jeweils obersten Zelllagen schilfern ab. Die Zellerneuerung geht von der Basal- und Parabsalzellschicht aus.
Der HPV-Virus dringt in die Zellkerne der teilungsfähigen Basalzellen ein und löst dort Mutationen aus,
die Zellkerne verändern sich. Die infizierten Basalzellen reifen zunächst noch zu Superfizialzellen aus. Mit zunehmender Verbreiterung der atypischen Basalzellschicht haben die Zellen immer weniger Zeit zur Ausreifung. Es werden immer unreifere Zellen abgeschilfert.
Der Zustand einer zunehmenden Verbreiterung der atypischen Basalzellschicht mit daraus sich ergebender Reifungsstörung in den darüberliegenden Schichten des Plattenepithels wird als Dysplasie bezeichnet .
Die Entwicklung zum Krebs, Kanzerogenese genannt, verläuft über
mehrere Dysplasiestadien. Eine Dysplasie am Gebärmutterhals wird auch als zervikale intraepitheliale Dysplasie bezeichnet werden, in Englisch cervical intraepithelial neoplasia, abgekürzt CIN. Man unterscheidet die leichten bis mäßigen (CIN 1-2) von den schweren (CIN 3) Dysplasien. Die schweren Vorstadien kommen zehnmal häufiger als ein Krebs vor, die leichten sogar hundertmal häufiger.
Wenn das atypische Epithel die Oberfläche erreicht hat, kann es sich dort nicht weiter ausdehnen und produziert irgendwann bestimmte Enzyme, welche die sogenannte Basalmembran, eine Barriere zwischen Epithel und dem darunterliegenden Bindegewebe, auflösen. Dadurch wird die Infiltration der atypischen Zellen in den Körper möglich, der Krebs kann entstehen.
Der große Erfolg der Zervixzytologie in der Krebsfrüherkennung beruht im Wesentlichen auf der Tatsache, dass atypisch veränderte Zellkerne (Dyskaryosen) unterschiedlichen Reifegraden der Zellen zugeordnet werden können, wodurch die verschiedenen Dysplasiegrade abgrenzbar werden, und die Vorstadien des Gebärmutterhalskrebses frühzeitig erkennbar sind.
Finden sich die
Dyskariosen ausschließlich in Superfizial- und/oder Intermediärzellen, so liegt eine
leichte Dysplasie vor. Sind auch
Parabasalzellen betroffen, so spricht man von einer
mäßigen Dysplasie.
Eine
schwere Dysplasie liegt vor, wenn
Basalzellen mit Kernveränderungen gefunden werden. Sofern sich die Basalzellen einander stark ähneln und
straßenförmig gelagert sind, erfüllen sie die Kennzeichen eines
Carcinoma in situ.
Der leichten Dysplasie entspricht ein Zellabstrich namens Pap IIID1, der mäßigen Dysplasie ein Zellabstrich namens Pap IIID2. Der schweren Dysplasie entspricht ein Zellabstrich namens Pap IV a-p. Ungefähr 60 % aller leichten Dysplasien bilden sich innerhalb eines Jahres wieder zurück. Bei höheren Dysplasiegraden wird eine solche Rückbildung immer unwahrscheinlicher.
Schwere der Läsion | Regression | Persistenz | Progression in CIN 3 | Progression in invasives Karzinom |
CIN 1 | 60 % | 30 % | 10 % | 1 % |
CIN 2 | 40 % | 40 % | 20 % | 5 % |
CIN 3 | 33 % | >55 % | - | >12 % |
2014 wurde die histologische WHO-Klassifikation des weiblichen Genitaltrakts neu aufgelegt. Die wesentlichsten Änderungen der Histologie der plattenepithelialen Präkanzerosen der Cervix uteri und Vagina bestehen in einer Zusammenfassung der mittelgradigen und schweren Dysplasie zu einer Gruppe. Der Begriff »CIN« für »zervikale intraepitheliale Neoplasie« wurde durch »squamous intraepithelial lesion« (SIL) ersetzt. CIN 1 heißt jetzt LSIL (»low grade intraepithelial lesion«), CIN 2 und CIN 3 wurden zu HSIL (»high grade squamous intraepithelial lesion«) zusammengefasst.
Pap-Gruppe | Definition | Konsequenz |
I | Unauffällige und unverdächtige Befunde | Abstrich im Vorsorgeintervall |
II | Befunde mit eingeschränkt protektiven Wert | |
II-a | Unauffällige Befunde bei auffälliger Anamnese | Ggf. zytologische Kontrolle nach 6 Monaten wegen auffälliger Anamnese |
II-p | Plattenepithelzellen mit geringergradigen Kernveränderungen als bei CIN 1, auch mit koilozytärem Zytoplasma/Parakeratose | Ggf. zytologische Kontrolle nach 6 Monaten unter Berücksichtigung von Anamnese und klinischem Befund |
II-g | Zervikale Drüsenzellen mit Anomalien, die über das Spektrum reaktiver Veränderungen hinausreichen | Ggf. zytologische Kontrolle nach 6 Monaten unter Berücksichtigung von Anamnese und klinischem Befund |
II-e | Endometriumzellen bei Frauen > 40. Lebensjahr in der zweiten Zyklushälfte | Klinische Kontrolle unter Berücksichtigung von Anamnese und klinischem Befund |
III | Unklare bzw. zweifelhafte Befunde | |
III-p | CIN 2 / CIN 3 / Plattenepithelkarzinom nicht auszuschließen | Differentialkolposkopie, ggf. additive Methoden, evtl. kurzfristige zytologische Kontrolle nach Entzündungsbehandlung und / oder hormoneller Aufhellung |
III-g | Ausgeprägte Atypien des Drüsenepithels, Adenocarcinoma in situ / invasives Adenokarzinom nicht auszuschließen | Differentialkolposkopie, ggf. additive Methoden |
III-e | Abnorme endometriale Zellen (insbesondere postmenopausal) | Weiterführende klinische Diagnostik, ggf. mit histologischer Sicherung |
III-x | Zweifelhafte Drüsenzellen ungewissen Ursprungs | Weiterführende Diagnostik (zum Beispiel fraktionierte Abrasio; ggf. additive Methoden / Differentialkolposkopie |
IIID | Dysplasiebefunde mit größerer Regressionsneigung | |
IIID1 | Zellbild einer leichten Dysplasie analog CIN 1 | Zytologische Kontrolle in sechs Monaten, bei Persistenz > ein Jahr: ggf. additive Methoden / Differentialkolposkopie |
IIID2 | Zellbild einer mäßigen Dysplasie analog CIN 2 | Zytologische Kontrolle in drei Monaten, bei Persistenz > sechs Monate: Differentialkolposkopie, ggf. additive Methoden |
IV | Unmittelbare Vorstadien des Zervixkarzinoms | Differentialkolposkopie und Therapie |
IVa-p | Zellen einer schweren Dysplasie / eines Carcinoma in situ analog CIN 3 | |
IVa-g | Zellbild eines Adenocarcinoma in situ | |
IVb-p | Zellbild einer CIN 3, Invasion nicht auszuschließen | |
IVb-g | Zellbild eines Adenocarcinoma in situ, Invasion nicht auszuschließen | |
V | Malignome | Weiterführende Diagnostik mit Histologie und Therapie |
V-p | Plattenepithelkarzinom | |
V-g | Endozervikales Adenokarzinom | |
V-e | Endometriales Adenokarzinom | |
V-x | Andere Malignome, auch unklaren Ursprungs |
Ziel einer operativen Therapie ist die Entfernung des veränderten Gewebes. Hierbei ist die Schlingenkonisation, auch LEEP für "electrosugical excisional procedure" genannt, die chirurgische Methode der Wahl.
Nachsorge: Die operative Therapie führt in der Regel auch zu einer Elimination der humanen Papillomaviren. Ein negativer HPV-Test nach Therapie schließt eine CIN-Persistenz bzw. ein CIN-Rezidiv mit hoher Wahrscheinlichkeit aus, was auch für den Status nach inkompletter Resektion (befallene Schnittränder) gilt. Sechs, zwölf und 24 Monate nach OP einer CIN sollten zytologische Kontrollen erfolgen, auch ein HPV-Test kann nach einer OP durchgeführt werden. Nach 3 negativen Ergebnissen innerhalb von 2 Jahren ist das Risiko für eine erneute Neoplasie gering und die Nachkontrolle beendet.
Nach einer Hysterektomie wegen eines Zervixkarzinoms sollen Nachsorgeuntersuchungen für 3 Jahre alle 3 Monate und für 2 weitere Jahre alle 6 Monate durchgeführt werden.. Hierzu gehören Anamnese, rektovaginale Untersuchung, Spekulumeinstellung und Zytologie.
Zytologisch verdächtige Befunde in der Schwangerschaft:
Im Wesentlichen unterscheidet sich das Vorgehen nicht von dem außerhalb der Schwangerschaft empfohlenen. Bei erstmalig auftretendem Pap IIID1 oder Pap IIID2 werden eine HPV-Testung und eine zytologische Kontrolle nach 3-6 Monaten empfohlen. Bei weiterhin bestehendem Pap III D sollte nach 3-4 Monaten sowie 8 Wochen nach der Geburt erneut kontrolliert werden. Wird eine CIN I histologisch gesichert, sind weitere kolposkopische und zytologische Untersuchungen in der Schwangerschaft nicht erforderlich. Eine spontane Regression ist in bis zu 86 % der Fälle wahrscheinlich, eine Progression zu einem Karzinom während der Schwangerschaft ist nahezu ausgeschlossen. Wird ein Pap IVa nachgewiesen, muss auf jeden Fall auch während der Schwangerschaft eine histologische Sicherung angeschlossen werden. Gezielte Probeentnahmen sollten zwischen der 16. und 20. Schwangerschaftswoche erfolgen. Bei Nachweis von CIN II/CIN III oder AIS wird eine Wiedervorstellung in der Dysplasiesprechstunde und erneute zytologische Kontrolle nach 12 Wochen empfohlen. Eine frühzeitige Entbindung ab der 35. Schwangerschaftswoche kann in Einzelfällen notwendig werden. Auch nach abgeschlossenem Wochenbett, 6-8 Wochen nach der Geburt, sollte nochmals eine zytologische Kontrolle mit HPV-Nachweis und Vorstellung in der Dysplasiesprechstunde erfolgen, ggf. eine Konisation vorgenommen werden.
Bei histologisch nachgewiesenen Gebärmutterhalskrebs existiert keine Standard-Therapie. Die Therapieentscheidung muss abhängig von der Schwangerschaftswoche und dem Erkrankungsstadium erfolgen.
Links:
ZERVITA - Über Risikofaktoren, Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung von Gebärmutterhalskrebs und seiner Vorstufen
Arbeitsgemeinschaft Zervixpathologie und Kolposkopie e.V. - Dysplasiesprechstunden