Etwa 16 % aller Frauen im Alter von etwa 40 Jahren sind in Europa mit Migräne belastet. Deutlich mehr Erkrankte haben eine
Migräne ohne Aura als eine
Migräne mit Aura. Die Differenzierung zwischen einer Migräne ohne Aura und beispielsweise einem Kopfschmerz vom Spannungstyp kann schwierig sein. Daher werden mindestens 5 Attacken gefordert, bevor die Diagnose gestellt wird. Etwa die Hälfte aller Frauen berichtet von einem Zusammenhang zwischen der Menstruation und einer Migräne.
Diese
menstruelle Migräne wurde in der Neuauflage der „Klassifikation für Kopfschmerz-erkrankungen, Gesichtsneuralgien und Gesichtsschmerz“ der International Headache Society (IHS) vom Jahr 2004 erstmals als
eigenständige Kopfschmerzart aufgeführt.
Migräne ist ein
anfallsartig auftretender, meist einseitiger, pulsierender Kopfschmerz, regelmäßig von vegetativen
Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit oder Geräuschempfindlichkeit begleitet. Die Beschwerden setzen oft in den frühen Morgenstunden ein bzw. äußern sich bereits beim Aufwachen. Migräneattacken dauern definitionsgemäß mindestens 4 Stunden, können aber auch bis zu drei Tage lang anhalten. 30-40 % aller Migräne-Kranken durchlaufen zunächst eine sogenannte Prodromalphase mit Müdigkeit, Schlafproblemen und verändertem Essverhalten. Migräne-Kopfschmerzen werden durch körperliche Aktivität nicht gelindert, sondern eher verstärkt. Die korrekte Einordnung einer Migräne nach IHS-Kriterien sowie eine Therapieempfehlung erfolgen in der Regel durch einen neurologischen Facharzt.
Geht einem Migräneanfall eine
Aura voraus, treten
meist visuelle Störungen (Sehstörungen), aber auch sensible Wahrnehmungsstörungen, motorische Störungen, aber auch möglicherweise Wortfindungsstörungen (aphasische Aura) schon vor dem Anfall auf, dauern überwiegend weniger als eine Stunde an. Sehstörungen könen z. B. flackernde Lichter, Punkte oder Linien sein oder auch ein Sehverlust. Sensible Störungen können sich in Kribbelmissempfindungen oder auch Taubheitsgefühl äußern.
Zu unterscheiden sind gynäkologisch primär die
Migräneanfälle mit Aura ereignen sich fast immer nur außerhalb der Menstruation; menstruelle Attacken mit Aura sind die Ausnahme. Zeitlich abzugrenzen bleibt darüber hinaus ein migräneartiger Kopfschmerz im Rahmen eines prämenstruellen Syndroms jeweils 2-7 Tage vor der Monatsblutung.
Bei etwa 60 % der Frauen mit Migräne handelt es sich um menstruationsbeeinflusste Anfälle, welche sich meistens erstmals im 2. Lebensjahrzehnt einstellen und um das 40. Lebensjahr ihr Maximum erreichen. Die rein menstruelle Migräne gilt hinsichtlich Attacken-Dauer und -Intensität als die am schwersten zu therapierende Variante. Ursächlich scheint der natürliche prämenstruelle Abfall der Serum-Östrogen- und Serum-Gestagen-Spiegel als Trigger zu fungieren. Initial hohe Östrogenspiegel sind vermutlich eine Voraussetzung für die Entstehung der Migräneattacken. Stabile Östrogenspiegel haben dagegen protektive Effekte auf die Auslösung einer Migräneatacke.
Nichtpharmakologische Strategien zur Prophylaxe und Therapie beinhalten eine Trinkmenge von mindestens 2 Litern täglich, die regelmäßige Einnahme von Mahlzeiten, eine Reduktion des Kaffeekonsums, ausreichend Schlaf und regelmäßige körperliche Betätigung.
Therapeutisch sind - abgestuft nach der Schwere der Anfälle - Pharmaka mit ausreichend langer Wirksamkeit und einer geringen Rate an „Wiederkehr-Kopfschmerzen“ einzusetzen, so etwa
nichtsteroidale Antirheumatika wie Ibuprofen (200-600 mg, z. B. Dolormin Migraene®), Naproxen (500-1000 mg) oder Diclofenac (50-100 mg, z. B. Sylmes 50 mg Pulver®) kombiniert mit einem Antiemetikum (z. B. 10-20 mg Metoclopramid) bei leichter bis mittelschwerer Migräne und in der nächsten Stufe ein Triptan-Präparat (z. B. Rizatriptan in Form von Maxalt Lingua 10 mg® oder 50-100 mg Sumatriptan). Die Analgetika sollten wegen der schnelleren Resorption bevorzugt in Form einer Brause- oder Kautablette eingenommen werden.
Bei besonderem Leidensdruck, Einschränkung der Lebensqualität oder dem Risiko eines Medikamentenübergebrauchs kann eine medikamentöse Migräneprophylaxe empfohlen werden.
Wenn menstruelle Migräneattacken kontinuierlich oder diskontinuierlich länger als 3 Tage anhalten, bestehen bei gut vorhersehbaren Regelblutungen mit dem Antirheumatikum
Naproxen (2x 500 mg/Tag 3-4 Tage vor bis 3 Tage nach der Periode) oder mit einem Triptan (z. B. Frovatriptan 2,5 mg 2x tgl. oder Zolmitriptan 2,5 mg 3x tgl., Beginn 2 Tage vor der Periode und für 5 Tage) effektive Möglichkeiten der medikamentösen
Kurzzeit-Prophylaxe. Auch kann bei Sumatriptan-Einnahme die gleichzeitige Gabe von Naproxen die Rate von Wiederkehr-Kopfschmerzen signifikant senken.
Die protektive Effizienz von oralen Kontrazeptiva (Antibabypillen) ist individuell auszutesten: Sie können die Migräne verbessern, verschlechtern oder auch unbeeinflusst lassen. Grundsätzlich ist die geringst mögliche Estradiol-Dosis anzustreben. Eine
Kombinations-Mikropille als Langzeiteinnahme ohne jede Pillenpause kann dann bei einigen Migränevarianten zur Option der Wahl werden.
Nach den WHO-Leitlinien gilt folgendes, dargestellt wird mit der Klassifikation 1.-4.:
Gesundheitlicher Befund | Kategorie | |
Start | Dauerhafte Anwendung | |
Migräne | ||
I. Ohne Aura | ||
Unter 35 Jahren | 2. | 3. |
Ab 35 Jahre | 3. | 4. |
II. Mit Aura, in jedem Alter | 4. | 4. |
Migräne ohne Aura |
Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp |
Clusterkopfschmerz | |
---|---|---|---|
Attackendauer |
Kopfschmerzattacken, die (unbe- handelt oder erfolglos behandelt) 4-72 Stunden anhalten |
Die Kopfschmerzdauer liegt zwi- schen 30 Minuten und 7 Tagen |
Attacken, die (unbehandelt oder erfolglos behandelt) 15 bis 180 Minuten anhalten |
Schmerz- charakteristika - Lokalisation - Charakter - Intensität ... |
Der Kopfschmerz weist minde- tens zwei der folgenden Charak- teristika auf: 1. einseitige Lokalisation 2. pulsierender Charakter 3. mittlere oder starke Schmerzintensität 4. Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten (z. B. Gehen oder Treppensteigen) oder führt zu deren Vermeidung |
Der Kopfschmerz weist mindes- tens zwei der folgenden Charak- teristika auf: 1. beidseitige Lokalisation 2. Schmerzqualität drückend oder beengend, nicht pulsierend 3. leichte bis mittlere Schmerzintensität 4. keine Verstärkung durch kör- perliche Routineaktivitäten wie Gehen oder Treppensteigen |
starke oder sehr starke einseitig orbital, supraorbital und/oder tem- poral lokalisierte Schmerzattacken |
Begleitsymptome | Während des Kopfschmerzes besteht mindestens eines: 1. Übelkeit und/oder Erbrechen 2. Photophobie und Phonophobie |
Beide folgenden Punkte sind erfüllt: 1. Keine Übelkeit oder Erbre- chen (Appetitilosigkeit kann auftreten) 2. Photophobie oder Phonopho- bie, nicht jedoch beides, kann vorhanden sein |
Mindestens einer der folgenden beiden Punkte ist erfüllt: 1. Wenigstens eines der nachfol- genden Symptome tritt ipsilateral zum Schmerz auf: a) konjunktivale Injektion und/oder Lakrimation b) nasale Kongestion und/ oder Rhinorrhoe c) Lidödem d) Schwitzen im Bereich von Stirn oder Gesicht e) Rötung im Bereich von Stirn oder Gesicht f) Völlegefühl im Ohr g) Miosis und/oder Ptosis 2. körperliche Unruhe oder Agitiertheit |
Häufigkeit der Attacken |
nicht definiert, da extrem variabel |
an <15 Tagen/Monat bzw. <180 Tagen/Jahr auftretend |
die Attackenfrequenz liegt zwischen 1 Attacke jeden 2. Tag und 8/Tag |
Links:
IHS Klassifikation ICHD-3 - Die internationale Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen
DMKG Kopfschmerzexperten - Expertenliste, Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft