Voraussetzung für die Diagnose eines Wachstumsproblems des Feten ist die Kenntnis des exakten Schwangerschaftsalters mittels Menstruationsvorgeschichte und Vorliegen eines Messwertes der Scheitel-Steiß-Länge zwischen der 9. und 12. Schwangerschaftswoche. Durch die Messung von Bauchumfang, Kopfumfang und Oberschenkelknochenlänge im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel wird das Wachstum der Feten im Mutterleib dann kontrolliert. Aus diesen Werten kann man auch ein Schätzgewicht ermitteln. Die Werte werden in Normbereichskurven in Bezug zu den Werten von altersgleichen Feten gesetzt und das Wachstum in sogenannten Perzentilen angegeben. Auffällig klein sind Werte für den Bauchumfang oder das Schätzgewicht unterhalb der 10. Perzentile. Eine 10. Perzentile bedeutet, dass 90 % der Werte anderer Feten größer und nur 10 % kleiner sind.
Feten unterhalb der 10. Perzentile werden als SGA ("small for gestational age")-Feten
bezeichnet.
Eine frühe fetale Wachstumsrestriktion
(Fetal growth restriction, FGR) liegt bei einem Gestationsalter < 32+0 SSW vor, wenn keine kongenitalen Anomalien vorhanden sind und folgende Befunde vorliegen:
Abdomenumfang/fetales Schätzgewicht < 3. Perzentile oder
A. umbilicalis mit absent end-diastolic flow oder Abdomenumfang/fetales Schätzgewicht < 10. Perzentile und Aa. uterinae mit PI > 95. Perzentile und/oder A. umbilicalis mit PI > 95. Perzentile
Eine späte fetale Wachstumsrestriktion
liegt bei einem Gestationsalter ≥ 32+0 SSW vor, wenn keine kongenitalen Anomalien vorhanden sind und folgende Kriterien gegeben sind:
Abdomenumfang/fetales Schätzgewicht < 3. Perzentile oder
Mindestens zwei der drei Befunde vorliegen:
1. Abdomenumfang/fetales Schätzgewicht < 10. Perzentile
2. Nicht-perzentilengerechtes Wachstum des Abdomenumfangs/fetalen Schätzgewichts (Abfall > 2 Quartilen)
3. CPR (cerebroplacental ratio) < 5. Perzentile oder A. umbilicalis mit PI > 95. Perzentile
Die fetale Wachstumseinschränkung ist eine der Hauptursachen für Totgeburten, Frühgeburtlichkeit, neonatale Todesfälle und neonatale Erkrankungen.
Hierbei wird eine symmetrische von einer asymmetrischen Form unterschieden. Bei der symmetrischen Form sind bereits im zweiten Schwangerschaftsdrittel Kopf- als auch Bauchumfangparameter gleichermaßen zu klein. Als Ursache kommen beispielsweise
Chromosomenanomalien
(z. B. Trisomie 13, 18, Triploidie),
fetale Fehlbildungen
(insbesondere Herzfehler, Bauchspalten oder Zwerchfellhernien),
Infektionen
(Röteln, Cytomegalie, Varizellen, Toxoplasmose),
exogene Faktoren
(Nikotin, Alkohol, Drogen, Medikamenteneinnahme der Schwangeren) oder
Umweltfaktoren
(Strahlenexposition, chronischer Nahrungsmangel) in Betracht. Allerdings können auch genetisch kleine, aber gesunde Feten kleiner Eltern ein Wachstum zeigen, das unterhalb der 10. Perzentilenkurve verläuft. Die asymmetrische Form manifestiert sich im letzten Schwangerschaftsdrittel mit einem relativ normalen Schädel- aber abnehmenden Rumpfwachstum. Sie ist häufig Folge einer Mangelversorgung durch den Mutterkuchen z. B. bei
schwangerschaftsinduzierter Hypertonie
(SIH), Autoimmunerkrankungen oder
Thrombophilie. Hier kann bei Messungen im Normbereich eine Abweichung vom bisher perzentilenparallelen Wachstum ein erstes Hinweiszeichen für eine beginnende FGR sein.
Überblick über häufige mütterliche Ursachen:- Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie/Präeklampsie
- Drogen-/Nikotinkonsum
- Mütterliches Alter von 40 Jahren und mehr
- Zustand nach intrauterinem Fruchttod
- Zustand nach SGA/FGR
- Chronische Hypertonie
- Chronische Nierenerkrankung
- Diabetes mellitus mit vaskulärer Erkrankung
- Antiphospholipidsyndrom
Überblick über häufige uteroplazentare Ursachen:
- Plazentalösung
- Insertio velamentosa
Überblick über häufige fetale Ursachen:- Chromosomenstörungen und Fehlbildungen wie Herzfehler und Bauchwanddefekte
- Intrauterine Infektionen (v. a. Zytomegalie
und Toxoplasmose, häufig in Verbindung mit einer hohen Fruchtwassermenge)
Die mediane Gewichtszunahme eines Einlings beträgt in der 15. Schwangerschaftswoche 5 g/Tag, 10 g/Tag in der 20. Schwangerschaftswoche, 30-35 g/Tag in der 33. Schwangerschaftswoche und geht nach dem Geburtstermin wieder auf 10 g/Tag zurück.
Risikopatientinnen für die Entwicklung von
Bluthochdruckerkrankungen in der Schwangerschaft (eine Form davon ist die Präeklampsie) und FGR können über die Dopplersonographie der mütterlichen Gebärmutterarterien (Arteriae uterinae) im ersten (
Präeklampsie-Screening ) als auch zweiten Schwangerschaftsdrittel identifiziert werden. Die Messung liefert eine Aussage über den Widerstand im die Gebärmutter und den Mutterkuchen betreffenden (uteroplazentaren) Gefäßbett. Eine pathologische Durchblutung ist durch einen geringen diastolischen Fluss gekennzeichnet. Generell gilt im zweiten Schwangerschaftsdrittel ein aus beiden Seiten gemittelter Pulsatilitätsindex (PI) von >1,45 als auffällig. Die unauffällige Messung im ersten Schwangerschaftsdrittel kann mit ca. 97 %iger Wahrscheinlichkeit eine Präeklampsie oder FGR ausschließen. Umgekehrt ist bei auffälliger Messung die Wahrscheinlichkeit für ein Auftreten bei ca. 30 %.
Im Gegensatz zur Präeklampsie scheint bei den Biomarkern primär ein erniedrigtes PlGF der pathophysiologische Treiber zu sein, nicht das sFlt-1. Eine erniedrigte PlGF-Konzentration spiegelt ab dem 2. Trimenon den Schweregrad einer Plazentainsuffizienz wider. Für das Management einer FGR spielt eine Bestimmung jedoch aktuell keine Rolle.
Die wichtigsten Instrumente zur Überwachung eines FGR-Feten sind die Analyse der fetalen Herzfrequenz mittels Kardiotokographie (CTG) sowie die Dopplersonographie der fetalen Arterien und Venen. Die Blutflusskurven in den Nabelschnurarterien spiegeln den Widerstand im den Feten und Mutterkuchen betreffenden (fetoplazentaren) Gefäßbett wider. Bei zunehmender Pathologie steigen die Widerstandindizes an bis zu einem enddiastolischen Nullfluss und schließlich einer Flussumkehr (reversed end-diastolic Flow). Der Gas- und Nährstoffaustausch über den Mutterkuchen wird mit zunehmendem Widerstand immer schlechter. Die schlechte Sauerstoffversorgung des Feten löst eine bevorzugte Durchblutung des Gehirns aus. Dopplersonographisch kann das sogenannte "brain sparing" an einer Widerstandsenkung in einer Gehirnarterie, der Arteria cerebri media, diagnostiziert werden. Nach der 35. Schwangerschaftswoche nimmt allerdings auch physiologisch der Widerstand in diesem Gefäßbett ab. Begleitend findet sich häufig eine abnehmende Fruchtwassermenge und eine eingeschränkte fetale Herzfrequenzvariabilität mit eventuell erhöhter baseline im CTG. Erst bei chronischem Sauerstoffmangel kommt es zu einer Reduktion der Kindsbewegungen.
Zeigt sich ein Nullfluss in der Nabelschnurarterie, erfolgt die stationäre Aufnahme in ein Perinatalzentrum. Zur Beurteilung des Zeitpunktes der fetalen Kreislaufdekompensation wird die Dopplersonographie des venösen Schenkels des fetalen Gefäßsystems genutzt. Im Falle einer Widerstandserhöhung im Ductus venosus, ersichtlich an einem Rückwärtsfluss in der sogenannten a-Welle oder gar bei Pulsationen in der Nabelschnurvene wird in der Regel spätestens entbunden. Rezidivierende späte CTG-Dezelerationen sind ebenso ein Zeichen einer fetalen Notfallsituation wie eine zu geringe Fruchtwassermenge (Oligohydramnion). Eine Entbindung wird möglichst erst ab der 35. Schwangerschaftswoche angestrebt.