Das von Willebrand-Syndrom, abgekürzt vWS, ist die
häufigste angeborene Blutgerinnungsstörung
in der deutschen Bevölkerung. Verursacht wird die Erkrankung durch eine zu geringe Konzentration, fehlerhafte Ausbildung oder sogar das vollständige Fehlen des sogenannten von-Willebrand-Faktors, eines für die Blutstillung wichtigen Proteins.
Bei einer Verletzung funktioniert der von-Willebrand-Faktor wie eine Brücke: Er lagert Blutplättchen an die verletzte Gefäßwand und an andere Blutplättchen an. Dadurch wird der erste Schritt zur Blutstillung eingeleitet. Für das dauerhafte Schließen der Wunde sind weitere Schritte innerhalb der Blutgerinnungskaskade entscheidend. Auch hier ist der von-Willebrand-Faktor beteiligt. Gleichzeitig dient er auch als Träger- und Schutzeiweiß für den Gerinnungsfaktor VIII.
Bevor der Verdacht geäußert werden sollte, ist es hilfreich andere Ursachen für vermehrten Blutverlust wie Thrombozytenfunktionsstörungen auszuschließen. Meist handelt es sich um Effekte thrombozytenhemmender Medikamente
wie z. B. Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac. Das Problem ist verstärkt bei Frauen mit Blutgruppe 0 zu finden, die üblicherweise einen niedrigeren von-Willebrand-Faktor-Spiegel aufweisen als Frauen mit anderer Blutgruppe. Auch Omega-3-Fettsäure-Präparate, Gingko und diverse Enzympräparationen erhöhen die Blutungsbereitschaft, ebenso wie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Valproinsäure
verursacht bei einem Teil der behandelten Patientinnen ein erworbenes von-Willebrand-Syndrom.
Für das von-Willebrand-Syndrom gibt es
5 – im Alltag gut erkennbare – Warnsignale.
1. Häufiges Nasenbluten- Kommt es bei Ihnen unabhängig von äußeren Reizen (wie z. B. Schnäuzen) häufiger zu Nasenbluten?
- Dauert das Nasenbluten länger als einige Minuten an, bis die Blutung wieder aufhört?
- Sind beide Nasenlöcher betroffen?
- Tritt das Nasenbluten über das ganze Jahr, auch außerhalb der Pollensaison oder der Heizperiode, auf?
2. Neigung zu blauen Flecken- Bilden sich bei Ihnen schnell und leicht blaue Flecken, auch wenn Sie sich nur leicht gestoßen haben?
- Treten diese blauen Flecken auch an ungewöhnlichen Stellen (also nicht nur an Beinen und Armen) auf?
- Traten bei Ihnen nach Impfungen blaue Flecken an der Impfstelle auf?
3. Besonders starke oder lange Regelblutung- Dauert Ihre Regelblutung länger als 7 Tage an?
- Ist die Regelblutung besonders stark ausgeprägt, so dass Sie Schwierigkeiten haben, mit normaler Monatshygiene auszukommen?
Bei Unsicherheiten gegenüber der Menstruationsstärke kann eine orientierende Diagnostik der Stärke der Regelblutung kann über die App „MyFlow Score“ erfolgen, wo Frauen ihre Regelblutung dokumentieren und direkt auswerten lassen können.
4. Nachbluten nach Zahnbehandlungen, Operationen oder einer Entbindung- Dauern Blutungen nach einem kleineren Eingriff, z. B. beim Zahnarzt, an?
- Ist die Blutungsstillung nach Operationen je ein Problem gewesen?
- Leiden Sie an Nachbluten? Traten z. B. nach einer Entbindung verstärkte Blutungen auf (z. T. auch erst mehrere Tage nach der Geburt)?
5. Zahnfleischblutungen oder andere Schleimhautblutungen- Kommt es bei Ihnen nach dem Zähneputzen öfters zu Zahnfleischbluten?
Die
Diagnostik
erfolgt in spezialisierten Gerinnungszentren, das nächste befindet sich in der RWTH Aachen, Medizinische Klinik II oder auch Klinik für Kinder- und Jugendmedizin.
Die meisten Patientinnen mit einem leichten vWS benötigen in der Regel nur eine vorbeugende
Therapie
mit Desmopressin oder von-Willebrand-Faktor-Konzentrat vor Operationen oder einer Entbindung. Zur Normalisierung von Monatsblutungen ist zunächst eine Behandlung mit
Mönchspfeffer
sinnvoll. Die Einnahme von Tranexamsäure an den Tagen der stärksten Regelblutung kann auch sinnvoll sein.
Tranexamsäure
führt zu einer Fibrinolysehemmung und stabilsiert so entstehende Gerinnsel. Bei zusätzlichem Verhütungswunsch ist eine Hormonbehandlung mit
Antibabypillen
möglich. Diese schwächen die Aktivität der Gebärmutterschleimhaut und reduzieren so die Blutung.
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