Der Mensch ist ohne eine bestimmte Menge Eisen nicht lebensfähig. Eisen ist ein essenzieller Bestandteil des Hämoglobins der roten Blutkörperchen und daher für die Blutbildung zwingend erforderlich. Auch bei anderen Stoffwechselprozessen im Körper wird Eisen unbedingt benötigt. Vom Gesamtkörpereisen ist als Funktionseisen etwa 60-70 % in Hämoglobin, etwa 9 % in Myoglobin und 1 % in Enzymen zu finden. Der Anteil des Speichereisens macht etwa 20 % aus. Die Eisenspeicherung erfolgt überwiegend in Form des Proteins Ferritin. Nur ein sehr kleiner Teil befindet sich gebunden an Transferrin auf dem Transportweg. Da ein Großteil des Eisens, welches aus dem Abbau von Hämoglobin und anderen Proteinen anfällt (ca. 25 mg/Tag), im Körper wieder verwendet wird, ergibt sich der Eisenbedarf eines Menschen vor allem aus dem kontinuierlichen Eisenverlust, etwa durch Blutverluste oder abschilfernde Haut- und Schleimhautzellen. Im Normalfall wird der Verlust durch die Eisenresorption aus dem Darm und aus dem Eisenspeicher des Körpers ausgeglichen. Der tägliche Eisenbedarf unterscheidet sich je nach Lebensalter und Geschlecht, wobei Lebensumstände wie Wachstumsphase, Schwangerschaft oder hohe Trainingsleistung eine Rolle spielen.
Die in Europa übliche, gemischte Ernährung enthält pro Tag etwa 10-20 mg Eisen. Davon werden aber normalerweise nur 5-10 % resorbiert. Dies gleicht den normalerweise anfallenden täglichen Eisenverlust in etwa aus. Bei Eisenmangel kann die Resorption bis zu 25 % gesteigert werden. Unter bestimmten Umständen, z. B. während einer Schwangerschaft, kann der Eisenbedarf die Eisenzufuhr trotzdem deutlich überschreiten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt in der Schwangerschaft eine tägliche Eisenaufnahme von 30 mg. Dazu müsste man beispielsweise 1000 g Spinat oder 600 g Haferflocken pro Tag konsumieren. Die Resorption von Eisen erfolgt vor allem im Duodenum (Zwölffingerdarm) und oberen Jejunum (Leerdarm).
Eisenmangel und Eisenmangelanämie sind die häufigsten pathologischen Veränderungen in Schwangerschaft und Wochenbett. 48 % aller Frauen entwickeln im Verlauf der Schwangerschaft einen Eisenmangel, 9 % eine Anämie. Dies ist zum einen dem erhöhten Blutvolumen der Schwangeren geschuldet, zum anderen bildet auch der Fetus in der zweiten Schwangerschaftshälfte zunehmend Hämoglobin und entzieht so dem mütterlichen Körper Eisen. Insbesondere im zweiten und letzten Drittel der Schwangerschaft ist der Bedarf an Eisen erhöht. Während einer Entbindung beträgt zudem schon der normale Blutverlust ca. 150 ml, was sich noch einmal negativ auf das Gesamtkörpereisen auswirkt.
Ein Eisenmangel
wird definiert als Ferritin-Wert unter 30 ng/ml, bei Werten unter 12 ng/ml ist der Eisenspeicher entleert. Da das Ferritin als sogenanntes Akute-Phase-Protein bei Entzündungszuständen (CRP >5 mg/l) erhöht ist und so ein Eisenmangel unentdeckt bleiben kann, kann die zusätzliche Bestimmung des CRP
sinnvoll sein. Bei erhöhtem CRP kann der lösliche Transferrinrezeptor
(sTFR) zur Abklärung eines Eisenmangelzustandes verwendet werden, da dieser nicht durch die Akute-Phase-Reaktion beeinflusst wird, und bei eisendefizienter Blutbildung erhöht ist.
Eine Eisenmangelanämie
in der Schwangerschaft liegt nach der Definition der Centers of Disease Control bei Hb-Werten <11 g/dl im ersten und letzten Schwangerschaftsdrittel und bei <10,5 g/dl im zweiten Schwangerschaftsdrittel
vor. Die Erythrozyten (roten Blutkörperchen) sind hypochrom (MCH <28 pg) und mikrozytär (MCV <80 fl).
Wenn bei Frauen Eisendefizite bestehen, leiden sie an Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit und Fitness und entwickeln zahlreiche weitere oft unspezifische aber belastende Symptome wie Müdigkeit und Kopfschmerzen. Ein Eisendefizit kann zudem das Risiko für Infektionen aller Art erhöhen. Bei Entwicklung einer Eisenmangelanämie kommt es zu Kurzatmigkeit, Herzklopfen und Schwindel. Mißempfindungen in Fingern und Zehen können auftreten. Eine Eisenmangelanämie in der Schwangerschaft stellt auch einen Risikofaktor für schwangerschaftsspezifische Komplikationen dar. Mögliche Folgen sind Frühgeburtlichkeit (Risiko verdoppelt) und ein geringes Geburtsgewicht (Risiko verdreifacht) sowie eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von geistigen und motorischen Entwicklungsstörungen beim Neugeborenen. Darüber hinaus korreliert eine Eisenmangelanämie bei der Wöchnerin mit Depressionen, Stress und beeinträchtigter kognitiver Leistungsfähigkeit.
Diagnostik und Therapie:
Beispiel für ein sinnvolles Vorgehen, entnommen einer Studie der Charité Frauenklinik Berlin
Differentialdiagnostisch abzugrenzen sind beispielsweise
Thalassämien, die in Deutschland aufgrund der Zunahme von Menschen mit Migrationshintergrund häufiger werden. Thalassämien sind genetisch bedingte Störungen der Hämoglobinbildung, bei denen es zum Mangel bestimmter Proteinketten des Hämoglobin-Moleküls kommt. Auch hierbei sind die Erythrozyten hypochrom und mikrozytär, das Serumeisen ist aber normal oder sogar erhöht. Auch erhöhte Erythrozytenwerte sind häufig auf eine Thalassämie zurückzuführen. Eine zusätzliche Eisengabe ist bei einer Thalassämie kontraindiziert. Als Herkunftsregionen für eine α-Thassämie gelten Südostasien, Südchina, der Mittlere Osten und der Mittelmeerraum, als Herkunftsregion für die β-Thalassämie nur der Mittelmeerraum.
Von einer
Sichelzellanämie sind besonders Menschen aus dem tropischen Afrika und die schwarze Bevölkerung Amerikas betroffen. Infolge einer Hämolyse sind Hämoglobin-Konzentration und Hämatokrit deutlich erniedrigt. Die Retikulozytenzahl ist erhöht.
Anämien bei
Folsäure-Mangel,
Vitamin B12-Mangel,
Alkoholmissbrauch oder
Hypothyreose sind dagegen makrozytär (MCV >96 fl).
Die
orale Eisentherapie ist in vielen Situationen die Therapie der Wahl. Wegen der Physiologie der Eisenresorption wird zur oralen Substitution (Aufnahme über den Mund) vorwiegend 2-wertiges Eisen eingesetzt. Für die Anhebung des Hb-Werts um 1 g/dl sind etwa 200 mg resorbiertes Eisen nötig. Zur Verbesserung der Verträglichkeit wurden Retardformulierungen entwickelt. Da der größte Anteil der Eisenresorption im Duodenum erfolgt, besteht bei einer zu stark retardierten Freisetzung die Gefahr einer geringeren Resorption. Die Tagesdosis sollte am besten morgens eingenommen werden, kann aber bei höherem Bedarf auch auf 2-3 Gaben verteilt werden. Die Resorption ist besser, wenn das Eisenpräparat mit Abstand zu den Mahlzeiten genommen wird. Die Verträglichkeit ist besser, wenn es zu den Mahlzeiten genommen wird. Die Verträglichkeit lässt sich auch durch Dosisreduktion verbessern.
Mögliche Nebenwirkungen der Eisentherapie sind ab einer Eisendosis über 45 mg/Tag Übelkeit, Völlegefühl, Oberbauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung oder seltener Durchfall. Meistens sind sie in den ersten 3 Tagen der Therapie ausgeprägter als später. Die Eisentherapie führt zu einer harmlosen Dunkelfärbung des Stuhls. Wechselwirkungen mit Antacida sind zu beachten, welche die Eisenresorption hemmen. Umgekehrt können Eisensalze die Resorption von Antibiotika verringern.
Vom physiologischen Standpunkt aus ist eine Eisensubstitution, die sich individuell an den Serum-Ferritin-Konzentrationen orientiert, einer pauschalen Prophylaxe vorzuziehen. Prophylaxe bzw. Therapie können nach folgendem Stufenschema erfolgen:
- So wird nach 10 Schwangerschaftswochen bei allen Schwangeren eine
Eisenmangelprophylaxe mit 30-40 mg pro Tag als Einzeldosis eines oralen Eisenpräparats empfohlen, wenn der Serum-Ferritin-Wert unter 70 ng/ml liegt.
- Bei Ferritin-Werten
unter 30 ng/ml oder Eisenmangelanämie ist eine orale Therapie mit
80-100 mg pro Tag eines oralen Eisenpräparats indiziert.
- Bei Ferritin-Werten unter 12 ng/ml und einem Hb-Wert unter 9 g/dl wird eine
intravenöse Eisentherapie empfohlen.
- Bei einer Anämie unter 7 g/dl und Kreislaufproblemen (niedriger Blutdruck, Anstieg der Herzfrequenz, blasse Extremitäten, erniedrigte Harnmenge) oder präpartal ist eine
Transfusionsindikation gegeben.
- Im Wochenbett liegt eine therapiepflichtige Anämie vor, wenn der Hb-Wert unter 10 g/dl beträgt. Es sollte eine orale Therapie während des gesamten Wochenbetts mit 200 mg Eisen pro Tag erfolgen.
Lebensmittel beeinflussen die Eisenresorption
Nahrungsergänzungspräparate mit Eisen und auch höher dosierte Medikamente gegen Blutarmut sind nutzlos, wenn sie zusammen mit Kaffee oder Schwarztee eingenommen werden. Die darin enthaltenen Gerbsäuren binden die Eisen-Ionen im Magen. So wird das Eisen ausgeschieden, statt über die Darmwand in den Blutkreislauf zu gelangen. Wer Eisenpräparate einnimmt, sollte mindestens zwei Stunden vor- und nachher keinen Schwarz- oder Grüntee, Kaffee oder Cappuccino trinken, auch keine Milch (Calcium) oder Cola (Oxalat). Ein Glas Orangensaft (Vitamin C) dagegen erhöht die Eisenresorption im Darm um ein Vielfaches.
Hemmung der Eisenresorption (Komplexbildung)
- Tannine (Kaffee, Cappuccino und Schwarztee)
- Polyphenole (Grüntee, Traubensaft)
- Polyvalente Kationen (Calcium, Aluminium, Magnesium, Zink)
- Oxalate (Spinat, Rhabarber, Mangold, Cola)
- Phytate (Vollkorn und Hülsenfrüchte)
Förderung der Eisenresorption
- Vitamin C
- Zitronensäure
- andere organische Säuren (z. B. aus dem Sauerkraut)
Apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Eisen-III-Präparate können nur für Kinder bis zum vollendeten 12. und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr verordnet werden. Verschreibungspflichtige orale Eisen-III-Präparate können bei medizinischer Notwendigkeit ebenfalls verordnet werden, wenn apothekenpflichtige Eisen-II-Präparate nicht ausreichend sein sollten.