In der Regel handelt es sich in der Schwangerschaft um sogenannte
unkomplizierte Harnwegsinfektionen, wenn nämlich im Harntrakt keine relevanten anatomischen oder funktionellen Anomalien, keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Begleiterkrankungen vorliegen, die eine Harnwegsinfektion bzw. gravierende Komplikationen begünstigen.
Häufigster Erreger
unkomplizierter Harnwegsinfektionen ist Escherichia coli (76,7 % der Fälle), gefolgt von Proteus mirabilis (4,7 %), Staphylococcus saprophyticus (2,8 %) und Klebsiella pneumoniae (2,5 %). Diese Erreger stellen im wesentlichen die sogenannten uropathogenen Keimarten dar.
Der Verdacht auf eine akute Entzündung der unteren Harnwege wird anhand typischer akuter Beschwerden wie Schmerzen beim Wasserlassen, häufiges Wasserlassen, Schmerzen oberhalb der Schambeinfuge und Harndrang erhoben. Eine Nierenbeckenentzündung wird dann angenommen, wenn sich bei den Symptomen auch ein Flankenschmerz, ein klopfschmerzhaftes Nierenlager und/oder Fieber (Temp. >38 °C) finden. Es ist bemerkenswert, dass die Nierenbeckenentzündung bei Schwangeren häufig ohne Fieber verläuft. Eine körperliche Untersuchung sowie Urinuntersuchung einschließlich quantitativer Kultur (mit Erregeridentifikation und -empfindlichkeitsprüfung) aus
Mittelstrahlurin
erfolgen zur Diagnostik. Am besten eignet sich Morgenurin, da hier eine hohe Keimzahl zu erwarten ist. Die letzte Miktion sollte mindestens 3, besser 4 Stunden zurückliegen. Bei Verdacht auf eine
Beteiligung der Nieren
wird zusätzlich eine
Ultraschalluntersuchung
der Nieren und ableitenden Harnwege (schwangerschaftsbedingte Harnstauungsniere, Restharn?) empfohlen.
Die Urinprobe wird mittels
Teststreifen
auf Leukozyten-Esterase (Leukozyten=weiße Blutkörperchen), Eiweiß und Blut (als Entzündungsmarker) sowie Nitrit (Stoffwechselprodukt typischer Harnwegserreger) untersucht. Der Nitrittest hat zwar eine hohe Spezifität, aber leider eine niedrige Sensitivität, da er nur bei Bakterien, die Nitratreduktase produzieren (wie E. coli), positiv ist und zudem eine ausreichende Verweildauer des Urins in der Harnblase erfordert, z. B. Staphylococcus saprophyticus wird nicht erfasst. Teststreifen können fehlinterpretiert werden, z. B. bei Leukozytopenien (Mangel an Leukozyten) oder Vitamin-C-Überdosierung. Alternativ zu Teststreifen kann eine
Urinmikroskopie
erfolgen. Der fehlende mikroskopische Nachweis von Leukozyten macht eine Harnwegsinfektion wenig wahrscheinlich.
Gewonnene Proben für
Urinkulturen
sind möglichst schnell zu verarbeiten. Bei einer Probenentnahme am Nachmittag und bei fehlender Transport- bzw. sofortiger Verarbeitungsmöglichkeit der Probe ist der Urin gekühlt bei 2-8 °C zu lagern, um dann am darauf folgenden Tag verarbeitet zu werden. Die Lagerung kann die Erregerzahl verändern. Spezielle Versandröhrchen für die Keimzahlbestimmung wie Exactobac-U von nerbe plus GmbH enthalten ein so genanntes Bakteriostatikum, das die Keimzahl für 48 Stunden stabil hält. Dafür ist aus diesen Versandröhrchen die Bestimmung von Leukozyten nicht mehr möglich. Entnahmezeiten der Patientenproben sind auf den Laborüberweisungen zu vermerken.
Für die Diagnostik ist es wichtig eine Kontamination von einer Kolonisation bzw. Infektion abzugrenzen. Für eine
Infektion
spricht der Nachweis von
Leukozyten
im Urin in Verbindung mit einer bis maximal zwei uropathogenen Keimarten. Bei Nachweis nur einer uropathogenen Art kann dann schon der Nachweis einer Erregerzahl von 1.000 kolonienbildenden Einheiten pro ml (KBE/ml) in der Urinkultur ausreichend zur Diagnose sein, im Allgemeinen wird eine Keimzahl von ≥ 100.000/ml als pathologisch angesehen. Eine
asymptomatische Bakteriurie
liegt vor, wenn aus zwei Urinproben in einem Abstand von mindestens 24 Stunden ein Grenzwert von ≥ 100.000 KBE/ml ereicht wird, ohne dass eine klinische Symptomatik vorliegt.
Der allgemeine Einsatz eines
Eintauchnährbodens
kann zu einer der Urinkultur vergleichbaren Aufdeckungsrate asymptomatischer Bakteriurien führen. Verfahrensbedingt werden Keimzahlen unter 10.000 KBE/ml mit dieser Methode nicht erfasst. Die Eintauchtests bestehen aus einem mit Nährböden beschichteten Plastikstab, meist einer Kombination aus grünem CLED-Agar- und rotbraunen MacConkey-Agar-Nährböden und erfordern eine 24-stündige Bebrütung bei 37 °C.
Das CLED-Nährmedium ist zur Bestimmung der Gesamtkeimzahl vorgesehen. Das Medium enthält Laktose als Reaktionskörper. Ihr Abbau zu Säure bewirkt einen Farbumschlag nach Gelb, eine Alkalisierung führt zu einem Farbumschlag nach Tiefblau.
Auf dem MacConkey-Nährmedium verhindern Gallensalze und Kristallviolett weitgehend das Wachstum Gram-positiver Keime. Dieses Nährmedium unterstützt das Wachstum Gram-negativer Organismen. Laktose dient zusammen mit dem pH-Indikator Neutralrot zum Nachweis des Laktoseabbaus. Laktose-negative Kolonien sind farblos, Laktose-positive sind rot mit einem trüben Hof infolge der pH-Erniedrigung durch ausgefallene Gallensäuren.
E. coli und Klebsiellen wachsen in gelben Kolonien mit einer Gelbfärbung des CLED-Nährmediums. E. coli bilden rote Kolonien auf dem MacConkey-Närmedium, Klebsiellen rosa Kolonien. Staphylokokken wachsen nur auf dem CLED-Nährmedium als gelbe Kolonien unter Gelbfärbung des Nährmediums. Die durchsichtigen Kolonien von P. mirabilis wachsen auf beiden Nährmedien und färben das CLED-Nährmedium blau.
Bei einer
asymptomatischen Bakteriurie
in der Schwangerschaft sollte die Therapie möglichst erst nach Vorliegen eines Antibiogramms resistenzgerecht eingeleitet werden, bei einer
unkomplizierten Harnblaseninfektion
wird sofort behandelt und ggf. das Antibiotikum später umgestellt. Für eine Therapie kommen im Wesentlichen
Pivmecillinam
(Pivmelam®),
Fosfomycintrometamol
(z. B. Monuril®), Cephalosporine der sogenannten Gruppen 2 (z. B.
Cefuroxim) oder 3 (z. B.
Cefpodoxim, 2x 200 mg tgl. über 3 Tage oder
Cefixim, 1x 400 mg) oder
Amoxicillin plus Clavulansäure, ein Betalaktamaseinhibitor, (z. B. Amoclav 500 Plus®) in Frage.
- Pivmecillinam ist nur für Erwachsene zugelassen.
- Cefuroxim weist in der Regel im Gegensatz zu Cefpodoxim keine Kreuzallergie zu Penicillin auf.
- Für Fosfomycin besteht eine absolute Kontraindikation bei schwerer Niereninsuffizienz (GFR <20 ml/min). Fosfomycin wird zwar nur einmalig eingenommen, im Urin finden sich aber im Sinne einer Kurzzeittherapie über 3 Tage therapeutische Wirkspiegel.
Die Einmalgabe von Fosfomycintrometamol (auf leeren Magen einnehmen, am besten 2 Stunden nach dem Abendessen und nach dem Entleeren der Blase), 3x 400 mg Pivmecillinam tgl. über 3 Tage oder 2x 200 mg Cefpodoximproxetil tgl. über 3 Tage (unzerkaut mit einem Glas Wasser mit einer Mahlzeit) sind Mittel der Wahl in der Behandlung einer unkomplizierten Harnblasenentzündung in der Schwangerschaft. Alternativ kommen zur Behandlung 2x 250 mg Cefuroxim tgl. über 6 Tage (unzerkaut mit einem Glas Wasser kurz nach einer Mahlzeit) oder 3x 625 mg Amoxicillin plus Clavulansäure, Einnahme unzerkaut mit einem Glas Wasser zu Beginn oder während einer Mahlzeit, über 5 Tage in Betracht.
Eine
Nierenbeckenentzündung
wird zunächst mit 2x 200 mg
Cefpodoximproxetil
über 10 Tage oder auch 2x 500 mg
Cefuroxim
tgl. über 12 Tage behandelt. Cephalosporine wirken allerdings nicht gegen Enterokokken, welche bei einer Pyelonephritis mit Harnstauung klinisch relevant sein können. Deshalb richtet sich die weitere Antibiotikatherapie nach dem Ergebnis der vor Beginn der Behandlung angelegten Urinkultur.
Jugendliche mit Harnblasen- oder Nierenbeckenentzündung
werden bevorzugt mit einem Cephalosporin, alternativ Amoxicillin plus Clavulansäure, behandelt. Bei rezidivierenden Harnblaseninfekten kann auch Fosfomycin eingesetzt werden.
(
Bemerkung zum Einsatz bei nicht schwangeren Patientinnen: Cefpodoxim kann die Wirksamkeit von Antibabypillen vermindern, weshalb ein Schutz vor Schwangerschaften erst dann wieder besteht, wenn nach Ende der antibiotischen Behandlung 7 Antibabypillen in Folge eingenommen wurden.)
Nach der Antibiotikatherapie
soll die Eliminierung der Keime durch
erneute Urinkultur
kontrolliert werden.
Da in der Schwangerschaft auch die Therapie einer asymptomatischen Bakteriurie empfohlen wird, kann ein Screening mittels Urinuntersuchung einschließlich Kultur vorzugsweise am Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels erwogen werden.
Nach einer Nierenbeckenentzündung in der Schwangerschaft
sollte nach der Geburt eine
urologische Vorstellung
erfolgen, um eine sogenannte Refluxkrankheit oder auch eine fortbestehende Bakteriurie auszuschließen.