Krebserkrankungen beruhen auf Veränderungen in den Genen (Erbanlagen). Bei den meisten Krebsformen treten die genetischen Abweichungen jedoch erst nach der Geburt auf – sie werden also nicht vererbt. Umwelteinflüsse, Lebensstil und andere, noch weitgehend unbekannte Faktoren spielen hierbei eine Rolle. In etwa fünf bis zehn Prozent der Fälle beruht die Krebserkrankung aber auf einer angeborenen genetischen Veranlagung. In den betroffenen Familien tritt der Krebs in fast jeder Generation und
häufig schon in jungen Jahren auf. Durch eine humangenetische Untersuchung von Erkrankten und gesunden Verwandten ersten Grades (Kindern, Geschwistern) können entsprechende Risikopatienten identifiziert werden. Menschen mit einem hohen familiären Risiko sollten sich dann intensiv beraten lassen und regelmäßig zur Krebsfrüherkennung gehen. Die in diesen Fällen empfohlenen intensivierten Früherkennungsprogramme unterscheiden sich von den Krebsfrüherkennungs-Richtlinien durch ihren frühzeitigen Beginn, die Engmaschigkeit und teils zusätzliche diagnostische Verfahren.
Familiärer Brust- und Eierstockkrebs:
Man weiß, dass 7 Prozent aller bösartigen Brusttumoren auf der Grundlage einer ererbten Veranlagung (Prädisposition) entstehen. Bei ungefähr der Hälfte dieser Tumoren liegt eine Genveränderung (Mutation) in einem der beiden
Hochrisikogene BRCA 1 und BRCA 2 zugrunde. Für weitere Erkrankungen sind Veränderungen in bisher noch nicht sicher identifizierten Genen verantwortlich. Einige dieser Kandidatengene sind bereits entdeckt, müssen aber noch weiter überprüft werden. Wenn mehrere Frauen in einer Familie an Brust- und/oder Eierstockkrebs erkranken und die Krebserkrankungen in jungem Alter aufgetreten sind, kann das ein Hinweis auf die erbliche Form sein. Aufgrund einer solchen Familienvorgeschichte lässt sich ein Risiko für das Auftreten von Brustkrebs ermitteln, das auf Erfahrungswerten aus großen Familienuntersuchungen beruht. Dabei sollte beachtet werden, dass bei einer Frau mit einer erblichen Prädisposition Brust und/oder Eierstockkrebs zwar mit einer höheren Wahrscheinlichkeit, aber nicht immer auftritt.
Das lebenslange Erkrankungsrisiko beträgt bei Mutationen in den BRCA-Genen beispielsweise 70 Prozent für Brustkrebs und 40 (BRCA 1-Trägerinnen) bzw. 20 Prozent (BRCA 2-Trägerinnen) für Eierstockkrebs.
Von einem familiär bedingten Eierstockkrebs spricht man, wenn
Das deutsche Konsortium für Familiären Brust- und Eierstockkrebs hat auf der Grundlage von Mutationsanalysen
Kriterien definiert,
welche eine mehr als zehnprozentige Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Mutation signalisieren:
Das
intensivierte Früherkennungsprogramm umfasst den Ultraschall der Brust alle 6-12 Monate (in Abhängigkeit vom Nachweis einer Mutation in den Hochrisikogenen BRCA 1 oder BRCA 2), eine Mammographie und eine Kernspintomographie (MRT) einmal im Jahr.
Diese Diagnostik beginnt in Abhängigkeit vom Nachweis einer Mutation mit 25 oder 30 Jahren bzw. 5 Jahre vor dem frühesten Auftreten eines bösartigen Tumors in der Familie. Wegen der besseren Aussagekraft wird die Mammographie in der Regel allerdings erst mit 30 Jahren durchgeführt. Aus dem gleichen Grund ist die Kernspin-Untersuchung lediglich bis zu einem Alter von 55 Jahren oder bis zur Rückbildung des Brustdrüsengewebes sinnvoll. Die Untersuchungen sollten möglichst zeitgleich in der 2./3. Zykluswoche erfolgen. Da der Zyklus mit dem ersten Tag der Regelblutung beginnt, ist idealerweise der Zeitraum vom 7. - 17. Tag nach Einsetzen der Regelblutung gemeint. Für Frauen mit einer Gestagenverhütung (z. B. Hormonspirale) oder nach der Menopause (letzte Regelblutung im Leben) kann der Termin für diese Untersuchungen beliebig gewählt werden. Das intensivierte Früherkennungsprogramm endet endweder mit der Vollendung des 50. Lebensjahres, wonach die Patientinnen in die Regelversorgung entlassen werden, oder bis zum Erreichen einer sehr guten mammographischen Beurteilbarkeit (ACR 1), spätestens aber mit Vollendung des 70. Lebensjahres. Ein vorzeitger Abbruch des Programms erfolgt nach beidseitiger Mastektomie (Entfernung beider Brüste), Nachweis der Metastasierung eines Krebsleidens oder Nichtteilnahme am Programm über einen Zeitraum von mehr als 24 Monaten.
Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist nur dann gegeben, wenn diese Untersuchungen an einem dem Konsortium "Erblicher Brust- und Eierstockkrebs" angeschlossenen Brustzentrum durchgeführt werden.
Eine weitere Möglichkeit für Mutationsträgerinnen ist die vorsorgliche operative Entfernung der Eierstöcke ab dem 40. Lebensjahr bzw. 5 Jahre vor dem jüngsten Erkrankungsalter an Eierstockkrebs in der Familie als Alternative zu regelmäßigen Kontrollen der Eierstöcke mittels Ultraschall in Kombination mit Bestimmung des Tumormarkers CA 125. Das Brustkrebsrisiko wird bei Mutationsträgerinnen durch die OP nicht reduziert. Nach der Entfernung der Eierstöcke ist eine niedrig dosierte Hormonbehandlung bis zum Eintritt in die natürlichen Wechseljahre angebracht (ca. 50. Lebensjahr), diese führt nicht zu einer Erhöhung des Brustkrebsrisikos. Die beidseitige Brustamputation reduziert Studien zufolge das Brustkrebsrisiko um über 95 %. Dem minimalen Restrisiko steht die Störung des Körperbildes gegenüber. Ein simultaner Wiederaufbau der Brust ist aber möglich.